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22/09 2018

All Creatures are welcome

CCC

Es ist wieder soweit, der Chaos Communication Congress (C3) steht vor der Tür. Kürzlich wurde der Call for Participation für den 35C3 für den nächsten Kongress veröffentlicht. Im letzten Jahr gab es wieder einige Diskussionen zu sexistischem Verhalten und Übergriffigkeit auf und um den Kongress. Bisher gibt es leider keine uns bekannte öffentliche Positionierung durch die Kongress-Organisator:innen. Da wir das Thema für wichtig und unterrepräsentiert halten, möchten wir dazu ein paar Worte verlieren.

Uns geht es nicht um die Einordnung konkreter Vorfälle - dazu wissen wir zu wenig. Für viel wichtiger halten wir eine Diskussion, um die grundsätzliche Haltung dazu.

Vorweg: Als politisches Technikkollektiv schätzen wir den C3 als Ort der Zusammenkunft vieler unterschiedlicher Menschen, mit und ohne Technikbezug. Emanzipatorische Perspektiven auf soziale, politische und technische Probleme haben hier einen angenehm prominenten Platz.

Dennoch leben wir in einer androzentristischen [1] und patriarchalen Realität. In dieser sind leider fast alle Räume und Zusammenhänge weiterhin männlich-heteronormativ [2] dominiert. Ganz besonders gilt das für die Techie-Szene, und damit auch für große Teile des Kongresses. Auch systemli.org ist ein Zusammenschluss, in dem weiße, männliche, mitteleuropäische Perspektiven prägend sind. Wir wollen nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern begreifen uns als Teil des Kongress und üben somit solidarische Selbstkritik.

[1] Androzentrismus: Die männliche Perspektive als Zentrum und Ausgangspunkt nehmend
[2] Männlich-Heteronormativ: Dominanz von männlichem Verhalten, Heterosexualität und binärer Geschlechtsordnung

Denn solange die Gesellschaft so eingerichtet ist, braucht es die bewusste Entscheidung für eine andere Praxis und den beherzten Einsatz für Räume, in denen diese möglich ist. Das heißt konkret: Schutz- und Freiräume für LSBTQ*, Awareness-Teams, priorisierte Auseinandersetzung mit Sexismus-Vorwürfen, ein Bewusstsein für die Schwierigkeiten mit Unschuldsvermutungen in solchen Fällen, manchmal auch Quoten-Regelungen an den richtigen Stellen und vor allem: weitere Sensibilisierung durch öffentliche Thematisierung.

Der Kongress - und mit ihm vor allem die Orga - macht hier schon vieles richtig: Für Technikkonferenzen ungewöhnlich viele nicht-männliche Sprecher:innen, deutlich mehr Gender-Diversität als noch vor wenigen Jahren, selbstverständliche Awareness- und sehr sensible Security-Teams. Das freut uns.

Doch bei den Debatten rund um den 34C3 - und auch schon den 33C3 - hätten wir uns einen klareren öffentlichen Umgang gewünscht. Das muss natürlich nicht sofort sein, da eine Konferenz dieser Größenordnung, nicht immer schnelle Reaktionen oder gemeinschaftliche Statements zulässt. Dass es nun eine neue Ankündigung, aber noch keinen Rückblick gibt, halten wir für gefährlich und falsch. Wir würden uns einen offenen Umgang damit wünschen, da auch der Kongress noch Raum für Verbesserung lässt.

Wir müssen anerkennen, dass es nach wie vor gute Gründe gibt, sich aufgrund von sexistischem Verhalten verletzt oder ausgegrenzt zu fühlen. Ein Anfang wäre, in Zukunft Panels, Workshops und Talks zu den Themen ins Programm aufzunehmen. Und damit Räume dafür zu schaffen, über Sexismus (in der Techie-Szene) offen zu reden.

Wir finden:

  • Die Techie- und Security-Szene hat ein Problem mit strukturellem Sexismus. Sie ist darin nicht schlimmer, aber auch nicht viel besser als die Mehrheitsgesellschaft. Übergriffe, Vergewaltigungen und ganz banal sexistisches Verhalten finden statt. Überall, weltweit und auch in unseren Zusammenhängen.
  • Der Nicht-Umgang mit Übergriffs- und Vergewaltigungs-Vorwürfen sowie der Verweis auf juristische Mittel hierfür, erzeugen und verfestigen einen Schutzraum für Täter:innen. In diesem Schutzraum fühlen sich Täter:innen strukturell bestätigt und Betroffene ausgeschlossen.
  • Es braucht dringend mehr Diskussion zu diesen Themen. Solche Diskussionen sind anstrengend, auch weil sie Selbstkritik und Reflexion erzwingen. Umso wichtiger ist es, ihnen aktiv Raum einzuräumen. Der Kongress wäre hierfür der richtige Ort. Über Vorträge, Workshops und Diskussionsrunden könnten wir gemeinsam erreichen, uns und unsere Szene mehr zu sensibilisieren und Schritt für Schritt ein offeneres und rücksichtsvolleres Klima erzeugen, in dem Betroffene sich aufgehoben und unterstützt fühlen.

Trotzdem: Wir freuen uns auf den nächsten Chaos Communication Congress!

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